Bericht vom  EX-IN Vernetzungstreffen Bayern

Fachtagung 23.01. - 24.01.2020 im Bildungswerk Kloster Irsee 

Die Fachtagung war mit ca. 90 Teilnehmer*innen sehr gut besucht. 

Vertreten waren EX-IN Genesungsbegleiter*innen, Arbeitgeber und andere an EX-IN interessierte Personen.

 

Zu Beginn der Tagung begrüßte Herr Dr. Raueiser, der Leiter des Bildungswerkes Irsee die Anwesenden. Auch Frau Barbara Holzmann, die Vizepräsidentin des Bayerischen Bezirketags sprach in ihrem Grußwort über die Vorzüge von EX-IN in der Versorgung von Menschen mit psychischen Problemen und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der EX-IN Genesungsbegleiter*innen. 

 

Der kommissarische Landessprecher von EX-IN Bayern, Herr Klaus Nuißl stellte kurz die Geschichte von EX-IN im Freistaat vor und gab einen Überblick über den Ablauf der Tagung. 

 

Die Veranstaltung soll auch neue Impulse für EX-IN setzen. Danach folgte das Worldcafé I mit den Themen 

Die Ergebnisse wurden auf Flipcharts oder Plakaten dargestellt.

 

1-Welche Fortbildungen werden gebraucht? z. B. Schulung in Gesprächsführung oder Nähe bzw. Distanz zu Klienten, Erfahrungsaustausch und Vernetzung Alltagsbegleitung als Ex-In Supervision Schulung in gewaltfreier Kommunikation 

2. Trialog im Netz z. B. Austausch über Finanzierung von Ausbildung, Informationen über Praktikumsstellen oder 

Arbeitsstellen, Facebookgruppen Austausch von eigenen Erfahrungen 

3. Erfahrungen von EX-IN Genesungsbegleiter*innen z. B. Eigene Erfahrungen sind oft Türöffner  andere Betroffene verstehen und unterstützen Genesungsbegleiter*innen wirken als Hoffnungsträger leichter Zugang zu Klienten eigene Psychiatrieerfahrung stellt Augenhöhe her 

4. Erfahrungen der Arbeitgeber von EX-IN Genesungsbegleiter*innen z. B. Resilienz Praktikum fördert mögliche spätere Einstellung durch gegenseitiges Kennenlernen Vermittler zwischen Klient und Profi Arbeit im Tandem mit Profis Flexibilität in der Stellenbeschreibung 

Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit Vorbereiten des professionellen Teams auf EX-IN Genesungsbegleiter*innen

5. Offene Themen z. B. Liste über mögliche Arbeitgeber und/oder Praktikumsstellen gewünscht Fortbildungsmöglichkeiten für EX-INler*innen Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in allen Bereichen bis hin zu Ganztagsstellen regelmäßige Supervision speziell für EX-INler*innen.

 

Nach der Mittagspause folgte ein Vortrag von Prof. Dr. Thomas Becker über die aktuelle Psychiatrieentwicklung und die Chancen durch EX-IN Genesungsbegleitung. Die Begegnung mit der Psychiatrie ist die Begegnung mit einer eigenen Lebenswelt. Die Psychiatrie kann durch die teilnehmende Beobachtung der Patienten besser verstanden werden.

 

Der Hintergrund der aktuellen Entwicklung liegt in der S3-Leitlinie der psychosozialen Therapien. Die Besonderheit der Leitlinie ergibt sich aus dem Diagnose übergreifenden Ansatz. Psychosoziale Interventionen kommen systematisch auf den Prüfstand. Psychosoziale Therapien bilden eine wichtige Säule in der Behandlung und gehen über reine Behandlungsmaßnahmen hinaus. 

 

Die Grundlagen psychosozialen Handelns liegen in Systemintervention, Einzelintervention und Selbsthilfe. 

 

Recovery ist der prägende Leitgedanke. Betroffene sollen im individuellen Recoveryprozess unterstützt werden. Dabei ist Peersupport ein wichtiger Bestandteil. Dies gliedert sich in gegenseitige Hilfe, Beteiligung in Selbsthilfeorganisationen, Arbeit in psychiatrischen Diensten. 

 

Bei der Peerarbeit beteiligen sich Betroffene an Behandlung und Forschung der Erkrankung. Es gibt zahlreiche Einsatzfelder. 

 

Selbsthilfe verringert die Möglichkeit der Wiedererkrankung. Der Nutzen der Selbsthilfe ist wissenschaftlich bewiesen. Peersupport sollte jedem Patienten in der Psychiatrie zur Verfügung stehen. 

 

Selbstmanagement ist ein bedeutender Teil der Krankheitsbewältigung. 

 

Die EX-IN Ausbildung findet derzeit Deutschland weit an 36 Standorten statt. 

 

Es sind etwa 250 EX-IN Genesungsbegleiter*innen in der Patientenversorgung tätig. Die meisten Beschäftigungsverhältnisse sind Mini-Jobs (450 €). 

 

In einem Jahr wurden ca. 200 Personen ausgebildet. Die EUTB Stellen (Ergänzende Unabhängige Teilhabe Beratung) bieten die Chance für die Umsetzung von Peerberatung. 

 
Als Fazit ist zu sagen: 

 

Es besteht großes Interesse an EX-IN. EX-IN ist international weit verbreitet und in der aktuellen DGPPN S3-Leitlinie erfasst. Es ist wichtig, dass EX-IN durch die therapeutische Kultur in Einrichtungen, Kliniken und Diensten getragen wird. 

 

Anschließend folgten Workshops, deren Ergebnisse am Folgetag im Wordlcafé II vorgestellt wurden.

 

  • Workshop 1: Auf Augenhöhe 
  • Workshop 2: Was heißt Scheitern bei EX-IN? 
  • Workshop 3: Wie viel Empowerment verträgt die Einrichtung? 
  • Workshop 4: Nähe und Distanz 
  • Workshop 5: Fachlichkeit durch Erfahrung 

 

Nach dem Abendessen bestand die Möglichkeit an einer Führung durch das Kloster Irsee teilzunehmen. Am zweiten Tag wurde die Peerberatungsstelle „omnibus“ in Österreich vorgestellt. 

 

Mario Leitgeber von der Beratungsstelle führte in die Entstehungsgeschichte und Vereinsgründung von“omnibus“ ein. Die Stelle wird vom Land Vorarlberg gefördert. Derzeit sind 5 Mitarbeiter*innen in Teilzeit und viele Ehrenamtliche in der Peerberatung tätig. 

 

Die Interessenvertretung von Psychiatrie Erfahrenen bezweckt die Förderung der Gesundung und Verbesserung der Lebenssituation psychisch Erkrankter und erfolgt nach dem Peer Counceling Konzept. 

 

Die Angebote bestehen in Gruppenangeboten und Freizeitgestaltung für Betroffene, Peerberatung, Telefondienst, wöchentlichen Besuchen im psychiatrischen Landeskrankenhaus auf Stationen, Hausbesuchen und Online Beratung. 

 

In 2018 nahmen 519 Personen mit 3303 Einzeldienstleistungen das Angebot in Anspruch. 

 

Die Dienstleistungen bestanden zu 34 % in Gruppenangeboten, zu 29 % in Telefonberatungen, zu 22 % in Peergesprächen auf Stationen im psychiatrischen Landeskrankenhaus und zu 15 % in Online Beratung, Hausbesuchen und sonstigen Angeboten. 

 

Es wurden 32 trialogische Schulprojekte gegen Stigmatisierung durchgeführt. 

 

Außerdem erfolgten Schulungen und Aufklärung bei Polizei, bei Gemeindebediensteten und beim Roten Kreuz. Bei den Beispielen aus der Praxis der Beratung sprach der Referent leider fast nur von seiner eigenen Krankengeschichte. 

 

Der Programmpunkt „Berichte aus der Schweiz“ von zwei dortigen Genesungsbegleiterinnen musste wegen der Absage der Referentinnen leider entfallen. 

 

Statt dessen gab Klaus Nuißl noch einen Überblick über den derzeitigen Stand von EX-IN Bayern. 

 

Derzeit sind über 100 EX-IN Genesungsbegleiter*innen in den Bezirken Oberbayern, Schwaben, Oberpfalz, Mittelfranken und Unterfranken beschäftigt. 

 

Es gibt Kursangebote an 5 Standorten. EX-IN ist seit ca. 10 Jahren in Bayern präsent. Hauptsächlicher Wunsch ist die Ausweitung der Stellen von Mini-Jobs auf Teilzeit- oder Ganztagsstellen. 

 

Die Stellenangebote sind leider oft weit entfernt vom Wohnort der EX-IN Genesungsbegleiter*innen. Für die Fahrtkosten von der Wohnung zur Arbeitsstelle gibt es keine Kostenübernahme. 

 

Seit kurzem können EX-IN Genesungsbegleiter*innen auch in Kliniken arbeiten. 

 

EX-INler*innen könnten auch im Team mit Profis für Assistenzleistungen tätig werden (Alltagsbegleitung von Erkrankten, bezahlt aus deren persönlichem Budget) Der nächste Programmpunkt war des Worldcafé II mit der Vorstellung der Ergebnisse aus den Workshops vom Vortag. 

 

1. Auf Augenhöhe: 

z. B. Akzeptanz im multiprofessionellen Team gewaltfreie Kommunikation eigene Haltung und Einstellung prüfen 

 

2. Was heißt Scheitern bei EX-IN? 

z. B. Kurs nicht abgeschlossen – später das nachholen, was noch fehlt Alternativen zu EX-IN Entwicklung braucht Zeit Perspektivverlust, mangelnde Kommunikation Ausgrenzung im Team 

 

3. Wie viel Empowerment verträgt die Einrichtung? 

z. B. Möglichkeit eigene Ideen einzubringen Akzeptanz im Team 

Umsetzungsmöglichkeit der eigenen Ideen beachten – Nicht alles geht auch 1000 Möglichkeiten führen zu Recovery (Methoden – Techniken)

 

4. Nähe und Distanz 

z. B. Nähe und Distanz sind für jeden Menschen individuell Menschliche Nähe und Anteilnahme ist trotz gewisser Distanz möglich eigene reflektierte Grundhaltung ist erforderlich Weiterentwicklung durch Intervision, Supervision Verhaltensmodelle von anderen Kollegen prüfen gute eigene Intuition Wahrnehmung der Beziehungssituation 

Rollenklarheit Behandlung des Themas im EX-In Kurs, ggf. eigenes Modul 

 

5. Fachlichkeit durch Erfahrung 

z. B. Fachlichkeit durch eigene Krankengeschichte Experte in eigener Sache neue Erkenntnisse für das Team Reflektion 

Vorbereitung Weiterbildung. Anschließend wurde noch ein Gruppenfoto der Teilnehmer*innen gemacht. Nach dem Mittagessen folgten für Interessierte noch Ausführungen für die bevorstehende Vereinsgründung EX-IN Bayern und eine Einführung in den Entwurf der Vereinssatzung. Der Austausch und die Anregungen unserer EX-IN Kolleg*innen war sehr interessant und informativ. Wir haben viele neue Erkenntnisse mitgenommen. 

 

Außerdem haben wir uns sehr gefreut, andere Teilnehmer*innen aus unseren EX-IN Kursen wiederzusehen. Antonia Wagner und Rudi Starzengruber Gez. Vorstandsmitglieder Baype