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Grußworte zur DGPPN-Ausstellung

Grußwort zur Ausstellungseröffnung "erfasst, verfolgt, vernichtet."', 'Grusswort zur Ausstellung Opfer der NS-Psychiatrie', '', Grußwort von Margarete Blank (Vorstand BayPE e.V.) zur Ausstellungseröffnung "erfasst, verfolgt, vernichtet." im Bezirkskrankenhaus Günzburg, Mittwoch, 1. Juli 2015, 17.30 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie die Ehre und Anerkennung hatten, namentlich genannt zu werden, Sehr geehrte, liebe persönlich lebend anwesende Menschen! Uns führt eine Zahl zusammen – und Werte, Werte, die verletzt wurden und die uns wichtig sind. Ich gratuliere den Menschen in dieser Stadt und den Machern der Ausstellung. Was mich besonders freut ist, dass die Erinnerungskultur für die Opfer des Holocaust und die Erinnerung an die Euthanasie nicht konkurrieren, sondern zusammenwirken. Die Entschuldigung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ist lobenswert. Wird sie für den nächsten Lernprozess wieder 72 Jahre brauchen? Bitte bedenken Sie: Sie sind nicht nur Kinder des Zeitgeistes, der mich öfters erschauern ließ: In den siebziger Jahren erlebte ich während eines Freiwilligeneinsatzes, dass andere - wohlgemerkt - idealistische Jugendliche sich über die Menschen mit Behinderung dahingehend äußerten, es sei doch besser man würde sie umbringen, es sei ja eh kein Leben. In den 80er Jahren hörte ich im Autoradio von einem Gerichtsurteil über NS-Euthanasieverbrechen. Die Strafe war so niedrig, dass sie einer Belohnung gleichkam. Als ich selbst Erfahrung mit der Zwangspsychiatrie machte, fand ich auf einmal die Werte nicht wieder, die unsere Kultur ausmachten und die in meiner Umgebung gelebt wurden. Vor dem Leid der Opfer stehe ich mit Achtung und mit Grauen. Die Angst, die Psychiatrie nicht mehr verlassen zu können, der Rechte beraubt zu sein, ist ein Alptraum. Die schreckliche Erkenntnis, dass andere unbeschränkte Macht über einen haben, hinterlässt Spuren. Das Erlebnis, Schaden zugefügt zu bekommen, verbunden mit absoluter Wehrlosigkeit, bringt mir die Opfer der Euthanasie näher als mir lieb ist. Am liebsten würde ich zu ihnen sagen: Wir vermissen Euch. Wie hätte unser Deutschland, unser Bayerisch-Schwaben aussehen können, wenn Ihr hättet leben dürfen? Ernst Lossa wäre heute 85 Jahre alt und, wenn er seinem Elternhaus treu geblieben wäre, mein Nachbar. Ich würde ihm im Supermarkt oft begegnen, wir würden uns vielleicht sogar kennen und er hätte seine Stimme im selben Wahllokal wie ich abgegeben - jahrzehntelang. Er hätte sogar, mutig wie er war, die Vertretung der Psychiatrie-Erfahrenen aufbauen können, schon Jahre vor den zarten Anfängen der schwäbischen Selbsthilfe in den Achtzigern und vor der Bildung des Bundesverbandes in den Neunzigern in Kloster Irsee. Das ist nur ein Wunsch. Die Großmutter eines Mitglieds der hiesigen Selbsthilfe fiel der Euthanasie ebenfalls zum Opfer. Bittere Realität! Ich empfinde Achtung vor den ermordeten Euthanasieopfern. Es ist uns Anliegen und Ehre zu Ihrer Würdigung beitragen zu dürfen. Voll Unverständnis nehme ich die Weigerung zur Kenntnis, die lebenden Opfer der Zwangssterilisation anzuerkennen. Da es nicht um Geld geht - welches Hintertürchen will man sich offen lassen? Liegt es in der Vergangenheit oder in der Zukunft? Der Bayerische Landesverband Psychiatrie-Erfahrener hat die Aufgabe, Willkür und Rassismus, Gewalt und Ausnutzung von Hilflosigkeit entgegenzutreten und eine menschliche und fachlich hoch kompetente Entwicklung einzufordern. In unserer Satzung steht, und zwar von Anfang an (die DGPPN hatte ähnliches erst kürzlich aufgenommen): In Erinnerung an die Verbrechen der NS-Psychiatrie betrachtet es der Verband als seine Aufgabe, der wieder auftretenden Denkweise vom "lebensunwertem Leben", wie sie zum Teil in der Genforschung in den Vordergrund gerückt wird, entgegen zu wirken. Auch nach 1945 gibt es Psychiatrietote und auch nach der Psychiatrie-Enquete. Mit einer bloßen Forderung namens Psychiatrie-Enquete ist es nicht getan. Wer das Gedenken nicht für die Gegenwart nutzt, kann sein Gewissen nicht entlasten. Wir fordern: Eine echte Soteria in jeder Einrichtung, gleichberechtigten Dialog nach finnischem Vorbild, wo Schizophrenie seit 25 Jahren ausgestorben ist und ambulante Hilfe vor Ort statt stolz präsentierter Kliniken und Klinikbetten - das ist der längst fällige Weg.So werden die Verstorbenen ernst genommen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche ehrliche Begegnungen in Freiheit.